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Ries (in Bayern) – Rieselfelder
Ries, das Becken eines uralten Seegrundes zwischen dem Fränkischen und
Schwäbischen Jura, der Thalkessel der Wörnitz im bayr. Reg.-Bez. Schwaben, nördlich von der Donau, an der württemb. Grenze.
Das R. ist eine äußerst fruchtbare Ebene, in der die Städte Nördlingen und Öttingen und eine große Zahl betriebsamer Dörfer
liegen. Die Einwohner haben sich in Sitte und Tracht vielfach ihre Eigenart bewahrt.
Melchior Meyr (s. d.) hat in seinen «Erzählungen aus dem R.» seine Heimat und ihre
Bewohner geschildert. – Vgl. Monninger, Das R. und seine Umgebung (Nördl. 1893).
Ries oder Riese, Adam, bekannt durch
sein Rechenbuch, geb. 1492 zu Staffelstein in Franken, lebte als Bergbeamter und Rechenmeister zu Annaberg im sächs.
Erzgebirge und starb daselbst 30. März 1559. Er verfaßte die ersten methodischen Anweisungen zur praktischen Rechenkunst in
Deutschland: ein kleineres Werk, u. d. T. «Rechenung auff der linihen» (zuerst Erf. 1522, vielleicht schon 1518), und ein
größeres: «Rechenung (nach der lenge) aufs der Linihen vnd Feder» in vier Abteilungen (zuerst Erf. 1525); ferner «Ein
gerechent Büchlein, auff dem Schöffel, Eimer vnd Pfundgewicht" (Lpz. 1536). Seine Bücher wurden bis Mitte des 17. Jahrh, oft
wieder aufgelegt und standen in solchem Ansehen, daß der Ausdruck «nach Adam R.» als sprichwörtliche Bekräftigung für die
Richtigkeit von Rechenexempeln diente. Ein Denkmal wurde ihm 1893 in Annaberg errichtet. – Auch Adam R.’ drei Söhne,
Abraham, Isaak und
Jakob R., verfaßten arithmet. Schriften.
Ries, Ferd., Klaviervirtuos und Komponist, geb. 29. Nov. 1784 zu Bonn als der
Sohn des dortigen Konzertmeisters Franz R. (geb. 1755, gest. 1846), studierte Musik in Wien bei Beethoven, war 1805 in Paris,
machte bis 1812 Kunstreisen und wandte sich 1813 nach London, wo er eine geachtete Stellung einnahm. Seit 1824 wohnte er
in Godesberg bei Bonn auf seiner Besitzung. Er starb 14. Jan. 1838 in Frankfurt a. M. Zu Aachen und anderswo dirigierte er
mehrmals Musikfeste, wobei er neue Oratorien («Der Sieg des Glaubens» 1834, «Die Anbetung der Könige» 1837) aufführte;
auch mehrere Opern («Die Räuberbraut» 1829, "Liska" 1831) erschienen von ihm. Seine Kompositionen, meist instrumentaler
Natur, lassen eigentliche Schöpferkraft vermissen; den größten Erfolg hatte er mit den für Klavier geschriebenen Stücken.
Sein Bruder Hubert R., Violinist, geb. 1. April 1802, ging aus der Violinschule Spohrs
hervor, wirkte seit 1836 als königl. Konzertmeister in Berlin. Seine Bedeutung liegt auf pädagogischem Gebiet; er veröffentlichte
eine vortreffliche Violinschule, Etüden, Duette, 50 Intonationsübungen, Studien u.s.w. Er starb 14. Sept. 1886 in Berlin.
Huberts jüngster Sohn Franz R., geb. 7. April 1846 zu Berlin, Violinist und Komponist, hat
sich durch vier sehr wirksame Suiten für Violine und viele Lieder bekannt gemacht, mußte aber seinem Beruf als Künstler, durch
ein Handnervenleiden gezwungen, entsagen. Er lebt in Berlin.
Riesa, Stadt in der Amtshauptmannschaft Großenhain der sächs. Kreishauptmannschaft Dresden,
am linken Ufer der Elbe, 7 km von der preuß. Grenze, an den Linien Leipzig-R.-Dresden, Röderau-Chemnitz und der Nebenlinie
Elsterwerda-Nossen der Sächs. Staatsbahnen, ist Sitz eines Amtsgerichts (Landgericht Dresden), ↔
Untersteuer-, Kataster- und Hafenamtes,
Textfigur:
hat (1890) 9389 E., darunter 378 Katholiken und 21 Israeliten, in Garnison das
Feldartillerieregiment Nr. 32, Postamt erster Klasse mit Zweigstelle, Telegraph, Fernsprecheinrichtung, eine große Elbbrücke
aus Sandstein und Eisen, 1876–78 an Stelle der durch Hochflut zerstörten erbaut, 2 Kirchen, 1 Kapelle, altes Rathaus im
Renaissancestil, früher Nonnenkloster, höhere Knaben- und Mädchenschule, gewerbliche Fortbildungs-, Schiffer- und
Handelsschule, Stadtbibliothek, Stadt- und Johanniterkrankenhaus, Knabenrettungs-, Armenhaus, Sparkasse, Spar- und
Vorschußverein, Kanalisation, Wasserwerk, Gasanstalt, Schlachthof, große Quaianlagen und einen Verkehrs- und Winterhafen.
Die Industrie erstreckt sich auf Blech- und Röhrenwalzwerk (Zweiganstalt von Lauchhammer, s. d.),
Dampfsägewerke, Fabriken für Parkettfußboden, Wagen, Stühle und Sofas, Marmorwaren, Leim, Öl, Küchengeräte, Seife und
landwirtschaftliche Maschinen, Dampfschleiferei, Kunstmühle, Lumpensortier- und Exportanstalt, bedeutende Schiffswerft und
umfangreiche Sandsteinindustrie. R. ist der bedeutendste Elbumschlagplatz Sachsens, der Verladeplatz für überseeische
Güter von und nach Bayern, sowie Stapel- und Handelsplatz für Heringe, Petroleum (Tankanlagen der amerik.
Petroleumgesellschaft), Holz, Schiefer, Kohlen, Düngemittel, Getreide, Roheisen, Marmorwaren und Sandsteine.
Rieselfelder, besonders eingerichtete Ländereien, welche dazu dienen, die Abwässer gewerblicher
Anlagen oder städtische Kanalabwässer zu reinigen, ehe diese den öffentlichen Flußläufen zugeleitet werden. Gleichzeitig
können die in den Abwässern stets enthaltenen Düngerstoffe (insbesondere Stickstoff und Phosphorsäure) auf diesem Wege
für die Landwirtschaft nutzbar gemacht werden. Jedoch ist nicht der landwirtschaftliche Nutzen in erster Linie für die Anlage von
R., die zuerst von Chadwick 1836 ernstlich angeregt und von Latham für die engl. Stadt Croydon praktisch angewendet wurde,
maßgebend gewesen, sondern vor allem das Bedürfnis der Verhütung von
Flußverunreinigungen (s. d.) durch die genannten Abwässer. R. können
jedoch nur da angelegt werden, wo in der Umgebung der gewerblichen Anlagen oder Städte geeignetes Terrain vorhanden ist.
Insbesondere sind bei der Beurteilung eines zur Rieselfelderanlage bestimmten Terrains zu beachten die Gefällsverhältnisse,
die Zusammensetzung und Filtrierfähigkeit des Bodens, die klimatischen Verhältnisse u. a. m. Im speciellen Falle, wenn es sich
um Anlagen von R. handelt, ist häufig auch von entscheidender Bedeutung, ob das Abwasser mit natürlichem Gefälle oder unter
künstlichem Druck den R. zugeleitet werden kann oder muß, ob der zur Berieselung erforderliche Boden bereits kultiviert ist oder
nicht, denn dadurch gestalten sich die Kosten der ganzen Anlage erheblich verschieden. Bezüglich der Gefällsverhältnisse ist zu
berücksichtigen, ob Großkultur auf Ackerland und Wiese, welche großes Gefälle (4–5 Proz.), oder Gartenkultur, welche wegen
der üblichen wiederholten Bodenlockerung sowie der kürzern Berieselungsdauer geringere Flächengefälle erheischen, betrieben
werden soll. Die
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 865.